„Jeder Deutsche verzehrt jährlich im Schnitt etwa 83 Kilo Brot und Backwaren.“ Das ist viel mehr, als ich gedacht hätte. Auch wenn mir mein selbst gebackenes Brot sehr gut schmeckt, glaube ich nicht, das ich wirklich so viel davon esse.
Vor ein paar Monaten habe ich in einem Backshop gesehen, wie die dort verkauften Brötchen vorbereitet und gebacken werden. Ich war echt perplex. Die Teiglinge waren ungefähr vier mal vier Zentimeter groß und vielleicht drei Zentimeter hoch. Die fertig gebackenen dagegen waren mehr als doppelt so groß. Was muss in dem „Industrie“-Gebäck enthalten sein, damit dieses unglaubliche Volumen innerhalb so kurzer Zeit heraus kommt? Und wenn jeder im Durchschnitt 83 Kilo davon jährlich isst, was genau isst er dann eigentlich zusätzlich mit, was dort nichts zu suchen hat?
Das wäre jetzt ein guter Grund sein Brot (sofern die Zeit vorhanden ist) selbst zu backen. Dort habe ich es weitestgehend selbst in der Hand, was ich schlussendlich essen werde.
Aber wie bäckt man denn eigentlich ein Sauerteigbrot selbst? Wie kommt man an einen Sauerteig, wenn man nicht gerade eine nette Kollegin hat, die einem zu einer Starterkultur verhelfen kann? Gute Anleitungen für das Ansetzen einer eigenen Sauerteigkultur finden sich zahlreich im Internet. Ich persönlich würde mich dabei für eine Variante rein aus Roggenmehl und Wasser, ohne Verwendung von Hefe entscheiden.
Jeden Freitag beginne ich mit den Vorbereitungen für ein neues Brot. Der Vorteig steht bei mir in der warmen Küche. Die verschließbare Schüssel wird zusätzlich noch in ein hübsches großes rotes Handtuch verpackt. Er soll ja nicht frieren und sich wohlfühlen.
Der Sauerteig vom letzten Vorteig aus dem Kühlschrank sollte nach dem Öffnen des Schraubglases leicht fruchtig riechen. Der Geruch kann manchmal auch in Richtung Alkohol oder Nagellackentferner übergehen. Das ist alles in Ordnung. Alles was anders riecht, zum Beispiel nach faulen Eiern, wäre dann ein Fall für die Tonne. Dann fängt die Prozedur noch mal beim Züchten der Sauerteigkultur an. Schade um die Zeit.
Wenn aber alles gut gegangen ist, kann es dann mit der unten aufgeführten Anleitung losgehen:
Step 1 (ca. 17:00 Uhr)
- 2 gut gehäufte EL Sauerteig in eine große verschließbare Plastikschüssel (vorher am besten mit kochendem Wasser ausspülen) geben
- 100 g Roggen-Vollkornmehl
- 100 g Wasser (lauwarm)
- alles sehr gründlich verrühren
Step 2 (ca. 24:00 Uhr)
- 100 g Roggen-Vollkornmehl
- 100 g Wasser (lauwarm)
- alles sehr gründlich verrühren
Step 3 (ca. 07:00 Uhr)
- 100 g Roggen-Vollkornmehl
- 100 g Wasser (lauwarm)
- alles sehr gründlich verrühren
Step 4 (ca. 14:00 Uhr) mit Originalrezept
- 3 gehäufte EL abnehmen für neuen Vorteig, in sterilisiertes größeres Schraubglas füllen, in den Kühlschrank stellen
- 100 g – 300 g Weizenvollkornmehl
- 300 g – 500 g Roggenvollkornmehl
- 300 g Wasser (lauwarm)
- 20 g gutes Salz
- 1 TL Brotgewürz (gibt es im Bioladen zu kaufen)
- etwas Bockshornkleesamen und Anis gemahlen
- 150 g Wasser griffbereit halten, falls Teig zu trocken wird
Step 4 (ca. 14:00 Uhr) a la salzigescaramel
- 3 gehäufte EL abnehmen für neuen Vorteig, in sterilisiertes größeres Schraubglas füllen, in den Kühlschrank stellen
- 200 g Kastanienmehl
- 300 g Dinkelmehl Type 1050
- 100 g leicht geröstete Walnüsse
- 320 g Wasser (lauwarm)
- je 6 g Kräutersalz und Salz
- je 1/2 TL gemahlen: Koriander, Kümmel, Bockshornkleesamen, Zimt
- 150 g Wasser griffbereit halten, falls Teig zu trocken wird
Teig kneten
- Mehl mit den Gewürzen in der Schüssel gründlich vermischen und danach sanft auf den Vorteig schütten
- abgekühlte Walnüsse auf das Mehl geben
- lauwarmes Wasser auf die Masse schütten
- nun zum unangenehmen Teil: alles gründlich durchkneten, dauert bei mir ca. 5 Minuten und klebt ohne Ende
- wenn der Teig zu trocken ist, noch etwas Wasser zugeben
- danach Teig in große mit Backpapier ausgelegte Schüssel füllen, mit Deckel abdecken
Step 5 Teigruhe
- Teig im leicht geheizten Ofen (ca. 40°C) für 3 – 4 Stunden ruhen lassen
- Teig geht je nach Aktivität und Alter der Sauerteigkultur schneller oder langsamer, mehr oder weniger stark auf
- Persönliche Beobachtung: bei teilweiser Verwendung von glutenfreien Mehlen und insgesamt weniger Mehl, geht der Teig viel schneller auf und läuft einem fast schon durch den Deckel entgegen, heißt: 3 Stunden Ruhe sind in diesem Fall genug
Step 6 Backen
- Ofen auf 250°C vorheizen (Ober- und Unterhitze)
- mit Wasser gefüllte kleine backfeste Schale in den Ofen stellen für die Feuchtigkeit
- Teig mit dem Backpapier zusammen aus der Schüssel heben und in mittelgroße Springform (Ø 22 cm) setzen
- 15 min bei 250° C backen
- 15 min bei 220° C backen
- 30 min bei knapp 180°C backen (im Originalrezept 200°C)
- die Backzeit kann je nach Ofen auch länger sein (im Originalrezept jeweils 5 min länger als hier angegben, die Kruste wurde da bei mir aber zu dunkel)
- Brot über Nacht ruhen lassen
Das Brot ist ganz gut geworden, die Krume relativ gleichmäßig und die Kruste angenehm splittrig beim Anschneiden. Das angeschnittene Brot ist ziemlich dunkel. Der Geschmack ist kräftig und erinnert durch die leichte Süße des Kastanienmehls an ein Pumpernickel-Brot. Einziges Manko, die 100 g Walnusskerne wollten sich nicht wirklich gleichmäßig verteilen sondern lieber grüppchenweise im Brot zusammenballen. Vielleicht finde ich da noch die Lösung für eine bessere Verteilung beim Kneten. Bin ja noch Brotback-Anfänger.
Das Brot schmeckt wunderbar mit in Scheiben geschnittener Avocado. Diese am besten noch mit Vanillesalz bestreuen. Passen würde ebenfalls ein kräftiger Bergkäse oder Salami. Oder einfach nur mit Butter bzw. Frischkäse bestrichen.
Jetzt habe ich echt Hunger. Ich bin dann mal weg…
Update 2020:
Ich backe tatsächlich immer noch Brot. Aber das Rezept ist inzwischen leicht abgewandelt worden…
Im Sommer beim Grillen passt Bier ja immer super, entweder zum Ablöschen der Würste oder Steaks und natürlich auch zum Trinken für die Gäste. Blöd nur, wenn so viel Bier gekauft wurde, das der Sommer vorbei ist und im Winter das Zeug niemand trinken möchte. Ewig hält es sich auch nicht. Und so war vor drei Jahren die Idee geboren, anstelle von Wasser den Teig im Schritt 4 einfach mal mit Bier zu vollenden. Das wird echt prima und verleiht je nach Biersorte einen noch kräftigeren Geschmack. Am liebsten verwende ich richtig dunkles Bier dafür.
Die Kombinationsmöglichkeiten durch verschiedener Mehlsorten (Emmer, Dinkel, Roggen, Hafer, Braunhirse, Einkorn usw.) sowie die Zugabe von gerösteten Körnern, Hafer- oder Quinoaflocken ist unglaublich. Es wird nie langweilig. Prima schmeckt es auch mit gerösteten Zwiebelstückchen im Teig.
Später aufgetoastet oder im Kontaktgrill mit Käse und etwas Majoran und Paprika überbacken ist ebenfalls eine sehr feine Sache.