Manchmal hat man ja die Qual der Wahl. Es scheint, als wäre zu viel Freizeit auch nicht gut. Freizeit hieß in dem Fall, es war zeitig am Abend. Zu Hause herum sitzen wollte ich nicht, aber auf ein eindeutiges Ziel konnte ich mich mit mir selbst auch nicht einigen. Der Plan: das Verkehrsmittel, das ich als erstes erreiche, wird es in gewisser Weise bestimmten.
Gewonnen hat der Bus, aber nur sehr knapp. Eigentlich wollte der Fahrer gerade losfahren, machte aber noch mal die Tür auf. Ein Blick sagt mehr als tausend Worte. Gut, so viele Worte sprachen aus dem Blick des Busfahrers dann doch nicht, sie waren dennoch ausdrucksstark und lauteten übersetzt ungefähr: Det nächste mal jehen Se jefälligst früher los. Ick kann ja nich immer uff jeden von euch warten! Habe mich sehr höflich bedankt und mich schnell hingesetzt.
Wenig später landete ich auf dem Gendarmenmarkt. Da war ich schon lange nicht mehr, dabei handelt es sich um einen meiner Lieblingsplätze. Nachdem ich ein wenig das Flair dieses Platzes in mir aufgesaugt hatte und kurz überlegte, ob ich einen Abstecher in die Newton Bar mache, dies aber mangels korrekter Kleidung verwarf, hatte ich endlich mein Ziel: Fassbender & Rausch, Charlottenstraße/Ecke Mohrenstraße.

Fassbender & Rausch sind die Chocolatiers am Gendarmenmarkt. Die Schokolade von Rausch – besonders die mit 80% Kakao – sind für mich unwiderstehlich. Mit Entsetzen musste ich vor kurzem feststellen, das meine Bezugsquellen für diese Schokolade allmählich versiegen. Auf Nachfrage erfuhr ich, das zukünftig nur noch über das Internet oder die eigenen Läden der Verkauf erfolgen soll. Was für ein Glück, das ich viel Zeit in Berlin verbringen darf und über den Direktverkauf gehen kann. Das Wort Direktverkauf hört sich irgendwie ernüchternd an. Dabei ist dieses Schokoladenparadies wirklich hübsch gestaltet, groß, hoch, viel dunkles Holz. Zum Anbeissen sind die riesigen Schaustücke aus Schokolade, die weder angebissen noch berührt werden dürfen – leider. Bei einigen Schaustücken läuft ständig flüssige Schokolade an den Seiten herunter. Ich kann mich immer nur sehr schwer zurückhalten, den Finger nicht in die Schokolade zu tauchen, um zu probieren.
Ein Teil der Regale sind voller Schokoladentafeln in neun verschiedenen Edelkakao-Sorten, von ganz mild bis sehr kräftig. Hinzu kommen abgepackte Pralinen, Konfitüren mit Kakao, Trink- und Backschokolade sowie handgemachte Schokoladen. Ein weiteres Highlight dürfte die wohl längste Pralinentheke der Welt sein. Es sind zu viele Pralinen und Trüffel, um mich für irgendetwas entscheiden zu können.
Wem das alles immer noch nicht ausreicht, der kann natürlich auch nach oben ins Schokoladen-Café oder ins Schokoladen-Restaurant gehen. Im Schokoladen-Café wird es mit einer Entscheidung leider auch nicht leichter. Soll man jetzt aus der Karte mit den vielen Köstlichkeiten lieber die Erdbeer-Holunderblüten-Sinfonie (Zweierlei Mousse von Erdbeere und Holunderblüte auf hellem Biskuit im Schokoladen-Mantel), die Mandel-Nuss-Karamell-Sinfonie (Karamell-Mousse mit Mandel-Nuss in Sahne-Karamell mit hellem Biskuit im Schokoladen-Mantel) oder doch lieber das Schokoladen-Törtchen (Ganache aus Edel-Vollmilch-Schokolade und Schokoladen-Mousse aus Edel-Bitter-Schokolade mit Knusperperlen auf dunklem Biskuit) nehmen? Dazu vielleicht noch eine heiße oder kalte Schokolade oder Café oder Tee trinken? Bei so viel Schokolade kann das eigentlich nur in einem Rausch enden. Der Name wäre dann ja Programm.
Wem das alles zu süß ist, könnte auch die herzhafte Verarbeitung der Schokolade im Restaurant testen. Jedes Gericht, von der Vorspeise, über die Suppe, zum Zwischengericht und anschließend Hauptgericht ist mit einer der Rausch-Schokoladen veredelt. Am liebsten hätte ich das Steak vom Hirschrücken mit Vanille-Porree und Süßkartoffelstampf, verfeinert mit der dunklen Rausch Plantagenschokolade Grenada 65% ausprobiert. Aber ich war zu spät dran. Das Restaurant schließt leider 19:00 Uhr. Sobald meine Vorräte aufgebraucht sind, werde ich den Nachschub mit einem Restaurantbesuch verbinden.
Den Rückweg nahm ich über die Friedrichstraße weiter Richtung Berlin Mitte. Zum Kochen hatte ich heute keine Lust. Der Weg führte nicht nur am Galeries Lafayette vorbei sondern auch gleich noch hinein. Die teuren Taschen und Schuhe ließ ich gleich links liegen und fuhr direkt hinunter in die Gourmet-Abteilung. Als erstes fiel der Blick auf zwei Sorten Andouillette. Die „lief“ mir letztens schon im Café Maître über den Weg. Ich selbst würde sie nicht essen, aber wer es mag oder für ein Gericht braucht, würde hier auf jeden Fall fündig werden.
Es gibt sehr viele spezielle Dinge hier. Ein halbes Regal ist voll von verschiedenen Salzsorten, weiß, schwarz, krümelig, blättrig, mit Kräutern, mit Raucharoma usw. Zwei andere interessante Regale sind mit Champagner gefüllt. Die Sorten habe ich nicht gezählt. Vielleicht sind es zwanzig? Es gibt auch kleine Flaschen die sozusagen erschwinglich wirken. Mein Favorit ist der Ruinart rose, obwohl mich der Name an Ruin erinnert, was angesichts des Preises nicht ganz abwegig ist. Den würde es nur für ganz ganz ganz besondere Gelegenheiten (also praktisch nie) geben.
Und auch Schokolade gibt es hier. Natürlich! Da in der Tüte noch Platz war, wurde gleich eine Tafel der Valrhona-Schokolade mit 85% Kakaoanteil gekauft. Valrhona wird sehr gern von Sterneköchen benutzt. Dann muss es ja etwas besonderes sein. Inzwischen habe ich diese Schokolade probiert. Der Geschmack ist fruchtig-säuerlich und würde hervorragend zu einem sehr kräftigen Rotwein passen.
Hier unten im Galerie Lafayette kann man die ganzen angebotenen Spezialitäten auch gleich vor Ort essen. Ähnelt dem Konzept im KaDeWe, ist aber viel kleiner. Man kann sich an dem jeweiligen Stand hinsetzen und eine Kleinigkeit bestellen. Es wird auch Sushi angeboten. Davon habe ich mir etwas mit nach Hause genommen. Die Qualität war gut. Eine Kreation war zusätzlich in Reispapier gewickelt und enthielt außer Lachs, Avocado und Reis noch Pfefferminzblätter. Der Geschmack war sehr erfrischend. Gutes Sushi in Berlin zu finden, ist schwierig.
Auf dem Heimweg kam ich dann an einem Restaurant vorbei, wo ich schon immer einmal essen wollte. Mehr dazu ein anderes mal.