Manchmal ist es doch recht befremdlich, auf welche Weise Wünsche in Erfüllung gehen. Ich wollte schon sehr lange viel mehr im Homeoffice arbeiten dürfen und sehnte mich mal wieder nach einer kleinen Auszeit. Zuerst erfüllte sich das eine und dann kam ziemlich schnell das andere zwangsweise als Kurzarbeit nach. Der Preis für meinen Wunsch war die nicht mehr durchführbare Rundreise inklusive kulinarischer Highlights in Österreich, Kroatien und Italien. Das muss im besten Fall nun ein Jahr warten.
On top die ganzen notwendigen Einschränkungen des öffentlichen Lebens… Da war nix mehr mit Essen gehen oder einfach so quatschend über den Markt schlendern. Nichts mehr testen, bewerten und darüber schreiben.
Im März traf ich die Entscheidung zu meinen Eltern zu fahren. Aus diesem Besuch wurden 10 spannende und intensive Wochen, die für beiden Seiten das Leben bereichert haben. Nie wieder würde es für so eine lange Zeitspanne eine zweite Chance gegeben.
Neben Zeit zum Erkunden der Natur, Fotos machen, ausgiebigen Spaziergängen und interessanten Gesprächen blieb viel Zeit zum Ausprobieren von Rezepten. Verwöhnt wurde ich kulinarisch sowieso. Meine Mom macht eine wirklich ausgezeichnete Quarktorte und mein Dad – wie ich finde – den besten Entenbraten der Welt.
Ich wollte etwas zurück geben und meine gewonnene Freizeit mit ein wenig Kreativem füllen. Zusammen in ein Café gehen war gerade sowieso nicht möglich. Aber warum machen wir dann nicht unser „eigenes Café“ hier zu Hause? Ist doch praktisch: kurze Wege, Wetter egal und ob die Frisur sitzt, interessiert auch niemanden.
In meinem ganzen Leben habe ich noch nie so viel gebacken und dabei mit den Rezepten experimentiert. Und das hat echt Spaß gemacht. Mit jedem Versuch wurden die Kuchen besser. An dieser Stelle wurde mir erst einmal richtig bewusst, was es bedeutet, wenn man sein eigenes kleines Café hätte und damit seinen Lebensunterhalt verdienen würde. Es ist ein riesiger Unterschied, ob man dies immer mal als Hobby zelebriert oder mit allem Ernst und Konsequenzen betreibt.
Jedenfalls hätte ich mir in den letzten Wochen kein besseres Kontrastprogramm zu den ganzen düsteren Corona-News vorstellen können. Das sind nun meine liebsten drei Kuchen, die sich für immer einen festen Platz in meinem Repertoire erobert haben:
Russischer Zupfkuchen
Wahrhaft ein Klassiker schlechthin. Den gab es in meiner Kindheit oft zu Geburtstagsfeiern. Der hatte jetzt mal ein kleines Update verdient, damit er etwas frischer daherkommt.
Das Innenleben dieses Kuchens wurde von mir in einen Streuselteig aus einem ganz anderen leckeren Rezept gebettet. Von diesem Rezept hätte ich am liebsten schon immer nur die Streusel genascht. Der Originalteig des Russischen Zupfkuchens ist eher ein krümeliger Mürbeteig, etwas trocken und schmeckte für mich zu wenig nach Schokolade. Bei dem anderen Rezept sind die Streusel extrem schokoladig, mit einer weichen, samtigen Konsistenz. Abgerundet wurde das Ganze mit ein paar untypischen Gewürzen wie Zimt, Muskat, Koriander, Tonkabohne, Vanillesalz. Da es Russischer Zupfkuchen heißt, durfte sich die Quarkschickt einen ordentlichen Schluck Vodka genehmigen. Ist ja kein Kindergeburtstag. Leider hatte ich hier vor Ort keinen selbstgemachten Vanille-Vodka. Next time…
Das Ergebnis hat gefallen und wurde schon mehrmals wieder gebacken, auch für Gäste, die das Rezept gleich für sich kopiert haben.
Rhabarberkuchen mit Vanillecreme und Streusel
Der Nachbar hatte unglaublich viel Rhabarber im Garten. Ein Teil davon landete bei uns zum Verarbeiten. Ich wollte schon immer mal einen Rhabarberkuchen anstatt mit Quark mit Pudding zubereiten. Dieses Rezept schien perfekt zu sein. Anstatt Schmand für Teig und Puddingcreme wurde Sauerrahm verwendet. Passte sehr gut.
Die Basis bildet ein lockerer Rührteigboden der mit einem guten Schuss Amaretto beglückt wurde. Für meine Form war der Teig zu viel. Die Hälfte hätte gereicht. Das nächste Mal wird ein Teil des Teiges zu Muffins verarbeitet. Der Boden hatte einen angenehmen Rührteiggeschmack und ist weder zu feucht noch zu trocken. Ein Hauch abgeriebene Zitronenschale würde ihm sogar noch besser stehen.
Mit der Vanillecreme war ich noch nicht ganz zufrieden. Die müsste irgendwie anders sein. Sie hatte aber wunderbar den Geschmack des Rhabarbers angenommen. Der Rhabarber wurde ganz leicht blanchiert und danach abgetropft. Die Streusel sind schön buttrig und weich ohne zu zerfallen, abgerundet mit etwas Zimt. Sie sind mega lecker und am liebsten würde ich sie heimlich vom ganzen Kuchen herunter essen. „Das ist aber unfein!“, wurde mir gesagt.
Als Früchte für diesen Kuchen eignet sich alles, was eine schöne fruchtige Säure hat: Sauerkirschen, Aprikosen, Stachelbeeren… Und unbedingt einen Tag im Kühlschrank durchziehen lassen.
Vielleicht hat von euch jemand ein unschlagbar tolles Rezept für eine super-leckere-unwiderstehliche-luftige-süchtig-machende Vanillecreme die perfekt zu diesem Kuchen passen würde? Oder einen Link dazu? Das würde mich riesig freuen.
Apfel-Haselnuss-Rührkuchen
Dieses Rezept hat mich erstaunt und wurde zu meinem absoluten Favorit. Auch dieses Rezept wurde leicht abgewandelt. Es ist ziemlich simpel und schnell gemacht. Der Kuchen ist der „Wolf im Schafspelz“. Sein unschuldiges Aussehen täuscht über seinen wirklich schlimmen Suchtfaktor hinweg. Wir haben gegenseitig versucht uns die Stücke streitig zu machen. Der Erfolg war mäßig. Niemand konnte und wollte freiwillig verzichten.
Ein Teil des Mehls wurde gegen sehr viel geriebene Haselnüsse ausgetauscht. Der Teig wurde mit Zimt und zusätzlich mit etwas Muskat sowie Koriander gewürzt. Die geriebenen Äpfel wurden in ordentlich Williamsbirnenschnaps mit etwas Himbeeressig mariniert. Not macht erfinderisch, wenn die frischen Zitronen aus sind, in denen die Äpfel ursprünglich eigentlich ziehen sollten. In den Teig kamen zum Schluss noch Zartbitterschokotröpfchen. In der Form wirkte der Teig anfangs etwas klein. Er ging aber dann doch ziemlich gigantisch auf. Der fertige Kuchen ist locker, saftig und erinnert mit seinem Geschmack ein wenig an Weihnachten. Passte super zum zeitweise verregneten Wetter.
Als Abwandlung kann ich mir das Ganze auch recht gut mit Birnen und Mandeln in einem saftigen Schokoladenteig vorstellen.
Und sonst so?
Gab es selbst gemachte Brötchen und Schafskäse mediterran zugedeckt zum Grillen. Es war immer etwas zu tun, zu kosten, zu genießen. Es liegen noch einige Rezepte zum Ausprobieren bereit. Langsam wird die Zeit wieder knapper denn die Kurzarbeit geht dem Ende zu und außerdem ist nun so nach und nach fast alles wieder geöffnet. Ich mache mich schon bereit für neue kulinarische Streifzüge draußen. Die erste Reservierung im Juli für ein großartiges Restaurant ist bereits gemacht. Das Budget wurde ja wochenlang zwangsweise nicht angegriffen. Da kann man es dann doch mal krachen lassen, oder?
Was für eine bezaubernde Idee, das mit dem eigenen Café. Falls Du weitere Inspiration suchst, hätte ich einen ganz tollen französischen Blog für Dich: http://cakesinthecity.blogspot.com – das ist eine alte Freundin von mir, die von den Geisteswissenschaften zum Kuchen kam 😀 Liebe Grüße
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Oh vielen Dank und vielen Dank vor allem für die Inspiration. 🙂 Da schaue ich gleich mal vorbei. Das hört sich wirklich sehr spannend an.
Lieben Gruß.
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Ein echt toller Beitrag. Danke für den Tipp!
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